„Wir müssen nur das Rezept kennen“

Der Nabu setzt dieses Jahr einen Schwerpunkt auf „Naturschutz mitMesser und Gabel“. Von Julia Schweizer

Kornwestheimer Zeitung, 28.01.2013

 

Schweine eng zusammengepfercht und leidend in einem Stall. Oder mit viel Auslauf und Schlamm auf einer Weide. Zwischen diesen Extremen bewegen sich heutige Fleischproduzenten – und auch die Besucher der Nabu-Auftaktveranstaltung zum Jahresthema „Naturschutz mit Messer und Gabel“. Mit vielen Einspielern gestalteten die Naturfreunde einen abwechslungsreichen Abend zur Lebensmittelproduktion. In den folgenden Monaten ergänzen Exkursionen zum Beispiel zu einer Hofschlachtung in Ilsfeld (8. Februar), einer ökologischen Schweinehaltung in Erdmannhausen (geplant am 3.März) oder zum Hofener Bienenlehrpfad (2. Juni) das Programm.


Das Motto sei „schön reißerisch getauft“, sagte Vorstand und Initiator Bernd
Mathe, doch schließlich habe man als Verbraucher viel in der Hand. Denn beim Einkaufen bewege man sich in dem magischen Dreieck aus Zeit, Qualität und Geld. Zudem sei unser Konsum extrem, kritisierte Mathe, der zur Einstimmung eine auf Michael Jacksons „Beat It“ umgedichtete Parodie von Weird Al Yankovic vorspielte, die mit abstrusen Argumenten fordert, immer weiter Essen in sich hineinzustopfen.


Die Überproduktion habe bereits im 19. Jahrhundert ihren Ursprung, als nach
einem Vulkanausbruch und fehlender Sonneneinstrahlung die Ernteergebnisse in
Europa so schlecht ausfielen und sich Wissenschaftler wie Justus Liebig damit befassten, mehr aus dem Ackerboden herausholen zu können, ohne diesen zu schädigen. Nach anfänglicher Skepsis setzten sich seine Düngemethoden mit pflanzlichen und tierischen Abfällen durch, erläuterte Ernst Worbs in seinem Beitrag. In diesem Zusammenhang müsse man auch Max von Eyth sehen, der daran gearbeitet habe, die landwirtschaftliche Arbeit durch den Einsatz von Technik zu erleichtern.


Die sechziger Jahre seien dann die Zeit der Entwicklung von Hochleistungs- und
Hochertragssortengewesen, erinnerte Mathe. Dies habe zwar die Ertragssituation
vor allem in vielen Ländern Asiens verbessert, aber auch gravierende  Umweltschäden verursacht. So seien viele Arten ausgestorben, gleichzeitig führten die veränderten Erntezyklen zu Schädlingsplagen, was wiederum einen höheren Pestizideinsatz zur Folge hatte. Zudem hätten vor allem die Hybridsorten zu einer Abhängigkeit der Bauern von Düngern und Pestiziden sowie den Herstellern geführt. „War es zu Beginn nur der Kampf gegen den Hunger, so sind
wir hier beim Faktor Geld angelangt“, sagte Mathe. „Wie viel etwas wert war, merkt
man oft erst, wenn es verloren ist“, sagte er mit Blick auf einen Beitrag über Forscher, die den Preis von Tieren oder Regenwäldern errechnen, weil nur solche taxierten Objekte einenWert zu haben scheinen.


Die Entwicklung habe auch vor Kornwestheim nicht haltgemacht, zeigte Mathe
anhand eines Luftbildes der Acker- und anderer Naturflächen rund um die Stadt im Jahr 1964 und deren reduzierter Anzahl heutzutage. Immerhin gebe es hier nicht eine derart für die Böden schädliche Monokultur wie etwa in Mecklenburg-Vorpommern, wie eine weitere Aufnahme zeigte.


Dass es aber auch anders geht, wurde in einigen Fernsehbeiträgen deutlich. Mexikanische Bauern bewirtschafteten ihre Äcker nach einem alten Maya-Prinzip mit Mais, an dem sich Bohnen hochranken können, und der den auf dem Boden wachsenden Kürbissen Schatten und feuchte Erde spendet. Eine Wandlung machte ein Bauer aus Bayern durch, der seine Wurstfabrik aufgab, seinen Schweinen nun viel Auslauf bietet und nicht – bei Krankheit nur eines Tieres – seine Herde mit Antibiotika vollstopft. „Ein Kilo Fleisch von dort kostet aber dreimal so viel wie im Discounter“, sagte Mathe und erinnerte wieder an sein magisches Dreieck. „Der Verbraucher hat’s letztlich in der Hand.“ Denn wir essen nicht nur zu viel Fleisch – unter anderem im Durchschnitt im Lauf des Lebens vier Rinder, 46 Schweine und Puten sowie 945 Hühner –, sondern auch zu selektiv.


Das führe dazu, dass die zum Beispiel bei Hähnchen nicht als Filet verkauften Teile nach Afrika exportiert würden und die dortige Wirtschaft schädigten. Die Globalisierung spiele aber auch in einem anderen Punkt eine Rolle: Viele einheimische Stallrinder bekämen ihr Futter aus Übersee, deren ökologische Bilanz sei also nicht besser als beim argentinischen Weiderind. Einfluss habe man aber auch in weiteren Bereichen, sagte Mathe unter dem Stichwort
„Unser täglich Brot“. Das komme nur noch selten von Handwerks-Bäckern. Passend dazu spielte er am Schluss eine Klangcollage des Musikers Matthew Herbert vor, der es nach eigener Aussage satt hat, weiter industriell produzierte Lebensmittel zu konsumieren. „Ein anderer Weg ist möglich. Wir müssen nur das Rezept kennen.“