Piep-Show bei Kohlmeisens

Eine neue Seifenoper wird in der Stadt gedreht. Hauptdarsteller sind zwei kleine Vögel. Von Birgit Kiefer

Kornwestheimer Zeitung, 12.4.2012

 

Täglich schalten Tausende von Menschen ihren Fernseher an und schauen Schauspielern dabei zu, wie sie alltägliches Leben simulieren. Wie sie sich verlieben, wie sie ihre Kinder aufziehen, wie sie arbeiten. Bestes Beispiel dafür:
die Lindenstraße.Wenn der Kornwestheimer Bernd Mathe auf den Bildschirm
schaut, kann er dagegen beobachten,was in der Joseph-Haydn-Straße passiert. Genauer, was auf einer Terrasse, in einem kleinen Kasten , so vor sich geht. Und Mathe schaut dort täglich nach, was sich so tut. Auch das, was sich dort meist im Halbdunkel abspielt, ist nichts weiter als Alltag – und trotzdem spannend. Mathe, Vorstand des Naturschutzbundes (Nabu), hat eine Minikamera in einem Meisenkasten eingebaut und diese mit seinem Laptop verbunden. Täglich stellt er nun Filme ins Netz, die dasGeschehen dokumentieren. Die Daily Soap, die Mathe nun dreht, heißt: „Daheim bei Familie Kohlmeise“.

 

Warten auf neue Wohnungssuchende

 

Die Vögelchen sind erst  kürzlich in den Altbau eingezogen. Der Meisenkasten hängt aber schon seit Jahren auf der Terrasse in der Joseph-Haydn-Straße. Und fast jedes Jahr kamen neue Mieter, bekamen Nachwuchs, schafften Essen heran und schließlich verließen die Jungen das Heim und die Eltern machten sich auch wieder auf den Weg. Mathe machte die kleine Unterkunft immer wieder besenrein und wartete auf neue Wohnungssuchende. Was sich nach deren Einzug innerhalb des Kastens tat, davon bekamer jedoch nichts mit. Nun ist der Kornwestheimer daher unter die Voyeure gegangen und schaut den Piepmätzen genauer auf die Krallen. Mit einer Leuchtdiode imKasten kann er auch nachts ein wenig Licht ins Dunkel bringen – und weil er die aufgezeichneten Filme täglich ins Netz stellt, kann jeder auf dem Laufenden bleiben, welche kleinen und großen Dramen die Familie zu durchstehen hat.


Am 20.März, einem Dienstag, fand dieses Jahr übrigens die erste Wohnungsbesichtigung statt. Die neuen Mieter waren offensichtlich zufrieden, denn schon am nächsten Tag begannen sie mit der Grundreinigung. Die Möblierung gefiel dann aber doch nicht so. Im Film vom folgenden Tag ist zu sehen,wie eine der Meisen die Kamera – gelinde gesagt – einem Bruchtest
unterzieht. Aber sie bleibt heil und wird schließlich hingenommen wie ein alter
Eckschrank, den der Vormieter zurückgelassen hat. Der Einzug konnte jedenfalls
beginnen und verlief im Eiltempo.

 

Schalten Sie morgen wieder ein

 

Seither haben die Mathes also neue Nachbarn. Da heißt es, sich aneinander gewöhnen. Einmal überraschte Elli Mathe beim Rausgehen auf die Terrasse die beiden mitten im Umzugstrubel – und erschreckte das Pärchen wohl fast zu Tode. Ein Entsetzensschrei ertönte. „Wir haben schon die unterschiedlichsten Charaktere hier erlebt, diese beiden scheinen jetzt etwas schreckhaft zu sein“, erzählt Bernd Mathe. Andere Meisen hätten nur geschimpft, wenn die Menschenfamilie es sich draußen bequem machte. Andere ignorierten sie mehr oder weniger. Man arrangierte sich.


Vielleicht sind die beiden Hauptdarsteller von „Daheim bei Familie Kohlmeise“
aber auch nur gute Schauspieler. Denn trotz des angeblichen Schocks fuhren sie
mit dem Einräumen fort. Und am Montag, 2. April, lag doch tatsächlich das erste Ei im Nest. Und am nächsten Tag das zweite. Mittlerweile sind es schon acht. Wie es bei Familie Kohlmeise weiter geht? Schalten Sie doch einfach morgen wieder ihren Computer ein und gehen auf www.nabu-kornwestheim.de. Vielleicht gibt es dann ja schon Nachwuchs.