Kornwestheimer Zeitung 2.6.2012
Rund zehn Jahre mussten sie warten, oft haben die Vogelexperten vom Naturschutzbund vergeblich auf dem Rathausturm nachgeschaut: Jetzt endlich hat es geklappt und ein Wanderfalkenpärchen dort oben erfolgreich gebrütet. Ende April kamen drei männliche Jungvögel zur Welt. 'Das ist eine schöne Entwicklung', sagt die städtische Umweltbeauftragte Cordula Wohnhas, die Ende Mai mit Ehrenamtlichen vom Naturschutzbund (Nabu) half, die Jungvögel zu beringen. Und auch Jürgen Becht von der Nabu-Arbeitsgemeinschaft Wanderfalken (AGW) ist 'sehr zufrieden' über die drei flauschigen Tiere. Bei der Gründung der AGW 1965 gab es im Land nur noch 20 Brutpaare - heute sind es rund 250 der geschützten Art.
Jürgen Becht inspiziert immer im Frühjahr, zu Beginn der Brutzeit, die dafür als Ersatz für Felsvorsprünge ausgeteilten Kisten an verschiedenen Standorten im Kreis Esslingen, in Stuttgart und in
Teilen vom Kreis Ludwigsburg. Der Standort in Kornwestheim sei eigentlich 'ganz hervorragend', sagt er. Doch dass seit der letzten erfolgreichen Brut zehn Jahre vergangen sind, lag vielmehr an
dem dort beheimateten Weibchen. 'Der bisherige Platzhalter am Rathausturm war sehr dominant und hat alle anderen Weibchen vertrieben. Aber das Weib war wohl unfruchtbar und hat keine Eier
gelegt', vermutet Becht.
Erst in diesem Jahr sei es einem neuen Weibchen gelungen, das alte zu vertreiben. Üblicherweise ist es auch Aufgabe der Männchen, ein Gebiet zu besetzen. Dass sich am Rathaus etwas anbahnte, habe man im Frühjahr sehen können. 'Ich habe Flugspiele am Turm beobachtet. Unter anderem saß das Weibchen auf einem Uhrzeiger, bis es abrutschte', erzählt der 71-Jährige aus Ostfildern, der etwa einmal in der Woche nach Kornwestheim kam.
Solche tierischen Beobachtungen gibt es vielleicht schon in der kommenden Woche wieder. Dann dürften die Jungvögel ihre ersten Flugversuche machen. Doch zunächst müssen sie ihre Flugmuskeln trainieren. Der Turm sei dafür ideal. Denn durch die Türen sei Besuchern der Zugang verwehrt. 'Und sie brauchen auch Platz, um mit ihren Flügeln schlagen zu können', weiß Becht. Den hätten sie bislang schon genutzt. Als die Ehrenamtlichen die Brutstätte besuchten, seien die Kleinen auf dem Boden umherspaziert.
Jedes Einzelne bekam dann einen Ring an jeden Fuß. Einer stammt von der Vogelwarte Radolfzell, die den Auftrag hat, dass alle Vögel von speziell Ausgebildeten beringt und in einer Datenbank erfasst werden. Ein zweiter, der 'SOS-Ring', trägt für Notfälle eine Rufnummer der Arbeitsgemeinschaft Wanderfalken.
Doch dazu wird es bei dem Kornwestheimer Nachwuchs hoffentlich nicht kommen. Deshalb darf die Aussichtsplattform bis Ende Juni nicht betreten werden - also auch nicht bei den Kornwestheimer Tagen, bereits verteilte Eintrittskarten können somit nicht eingelöst werden.
Einen kleinen Trost aber gibt es: Auf der Internetseite www.nabu-kornwestheim.de sind mehrere Fotos und zwei kurze Videos von der Beringung der drei Jungvögel eingestellt. hier