Lauschend auf der Suche nach dem Dididi-Diii

Wer mit Lothar Friedrich spazieren geht, entdeckt die Vogelwelt. Von Julia Schweizer

Kornwestheimer Zeitung 10.5.2011

 

Sonntagfrüh herrscht rund um den Parkplatz am Freizeitpark reges Treiben. Einige Meter entfernt streitet sich ein Pärchen, aus einer anderen Ecke tönt eine laute Begrüßung, und immer wieder brummt es tief. Das alles hört zumindest Lothar Friedrich vom Naturschutzbund, der am frühen Morgen zum vogelkundlichen Spaziergang lädt. Die meisten der 23 Teilnehmer hören hingegen nur zwei Rabenkrähen - und natürlich die vorbeifahrenden Autos.

Nach einer Beschreibung der Route über die Vördere und durch das Mussenbachtal vorbei an schottischen Hochlandrindern und zurück über den Flugplatz in Pattonville marschiert die Gruppe los. Gleich hinter dem Parkplatz gibt es den ersten Stopp: Friedrich hört Kohlmeisen, alle lauschen angestrengt und blicken mit Ferngläsern in die Bäume. Wenige Meter weiter hält Friedrich wieder: ein Rotkehlchen. "Ein feierlicher Gesang, das genieße ich besonders", sagt er. Das Zwitschern der Arten, die er nicht zeigen kann, macht er einfach selbst vor: "Dididi-Diii" - eine Goldammer. Friedrich führt detailliert Buch über die Vogelarten in der Gegend. Vor allem notiert er, wann sie nach dem Winter wieder zurück gekommen sind: Als erstes Mitte April das Gartenrotschwänzchen, dann der Wendehals, später die Klapper- und die Gartengrasmücke und der Mauersegler. Dabei hat er auch festgestellt, dass es offenbar immer wärmer wird: "Die Vögel kommen im allgemeinen rund eine Woche früher zurück", weiß der 75-jährige Gärtnermeister.

Zweimal im Jahr lässt er eine Gruppe wie an diesem Sonntag auf seinen Spaziergängen an seinem reichhaltigen Wissen teilhaben. Die meisten waren schon bei früheren Spaziergängen dabei, für Irina Dudichun ist es aber eine Premiere. Sie ist mit ihrem Hund oft in der Natur und will nun mehr wissen über die Vögel und ihre Besonderheiten. Immer wieder kommt Friedrich auf der fast dreistündigen Tour auch auf die Vergangenheit zu sprechen. Als es noch Pirole oder Singdrosseln in der Gegend gab, sechs oder sieben Steinkauz-Brutpaare, wo es heute nur noch zwei sind, oder als auf den Flächen im Freizeitpark noch nicht so viel Unrat lag.

Ein Baum mit mehreren Löchern hat das Interesse der Gruppe geweckt. Dort, wo man Kot sehe, sei eines der Löcher tatsächlich bewohnt gewesen, erklärt Friedrich. Gemacht habe es ein Specht, im folgenden Jahr wechsle er wegen Parasiten sein Domizil, dann ziehe meist ein Star ein. "Ich habe neulich gesehen, wie ein Specht eine junge Meise geräubert hat", berichtet eine ältere Teilnehmerin. Völlig entsetzt sei sie rausgerannt und habe geschrien, er solle sie fallenlassen. "Das gehört aber auch zur Natur", entgegnet Friedrich.

Immer wieder bleibt die Gruppe stehen, wenn ein neuer Ton zu hören ist. "Was für ein Spektakel!", ruft ein Mann, als Friedrich auf eine laut singende Mönchgrasmücke hinweist. Sie sitzt am Rande eines umzäunten Feuchtgebiets im Mussenbachtal, eine von der Stadt Stuttgart finanzierte Ausgleichsmaßnahme für Stuttgart 21. Mit einer Wasserstelle, Fröschen und den nebenan grasenden Hochlandrindern "ein wahres Kleinod", findet der Vogelexperte, auch wenn er es sich größer gewünscht hätte. Doch besser als früher ist es allemal, als sich an der Stelle noch eine Mülldeponie befand.