Wenn der Engmaulfrosch nach der besseren Hälfte ruft

Schlangen, Frösche und Geckos: im Dschungel von Peru hat Andreas Schlüter nach neuen Arten gesucht. Von Julius Haager

Kornwestheimer Zeitung, 09.12.2010

 

Es ist nicht gerade ein Traumhaus, das Andreas Schlüter auf einem Bild zeigt: eine Hütte, gestützt durch Pfähle, mit einem palmwedelgedeckten Dach und ohne Wände. Davor ein kleines Pult mit einer gelben Schüssel, die als Waschbecken dient. Diese Unterkunft war für den Biologen vom Naturkundemuseum Stuttgart mehr als zwei Jahre Heimat und Arbeitsplatz. In der Nähe des Amazonasgrabens im Dschungel von Peru hat Schlüter 1977 für seine Doktorarbeit nach neuen Amphibien-Arten gesucht.

 

"Am Morgen hatte ich immer den ersten Kontakt mit einem Amphibium", erinnert sich Schlüter. "In meinem Waschzuber saß ein kleiner Pfeilgiftfrosch, der eigentlich nur in Baumkronen zu finden ist und wahrscheinlich von der Farbe meiner Schüssel angelockt wurde." Doch nicht nur Frösche bildeten mit dem Wissenschaftler eine Wohngemeinschaft - unter der Hütte lebte eine Kröte, in der Hütte eine Geckopaar.

 

Andreas Schlüter berichtete im Kornwestheimer Galeriesaal auf Einladung des Naturschutzbundes (Nabu) Kornwestheim über seine Erlebnisse. Den Forscher zog es nach Peru, da sich dort ein sogenannter Hotspot befindet. "Dabei haben wir eine hohe Konzentration verschiedenster Arten auf einem kleinen Raum", erklärt Schlüter. "60 bis 80 Prozent der Arten der Welt sind in einem Hotspot zu finden." Seine Aufgabe sei es, neue Arten zu entdecken, Dokumentationen zu erstellen und die entdeckten Tiere zu bestimmen.

 

"Der Regenwald ist ein großes Mosaik", sagt Schlüter. "Deshalb muss man eine Stelle des Mosaiks auswählen, und sie näher untersuchen." Bei Schlüter war diese Stelle ein Tümpel mitten im Regenwald. Während dieser in der Trockenzeit nur so groß wie eine Pfütze ist, weitet er sich während der Regenzeit zu einem großen Teich aus und wird zum Magneten für Reptilien und Amphibien - so zum Beispiel für die Riemennatter. "Die Riemennatter ist eine besondere Schlange aufgrund ihres Sinnesorganes unter der Nase", so Schlüter. "Das Tier kann mit diesem Organ wie mit einem Infrarotgerät Wärme wahrnehmen." Das helfe etwa bei der Jagd nach Vögeln. Sogar taub und mit verbundenen Augen wäre das Tier bei der Nahrungssuche erfolgreich, meint der Wissenschaftler, Experimente hätten dies gezeigt. Am meisten konzentriert sich der Forscher aber auf Frösche. "Diese sind leider weltweit vom Aussterben bedroht." Frösche zeigten eine hohe Artenvielfalt: Es gibt bunte, große, kleine und giftige Frösche, manche hätten besondere Fähigkeiten. Eine Froschart zum Beispiel paare sich in einem Ameisenhügel, den sich die Amphibien mit tausenden roten Krabbeltieren teilen. Diese Ameisen würden Frösche eigentlich sehr gerne auf der Speisekarte sehen. "Hier scheint der Frosch für die Ameisen uninteressant zu sein", sagt der Biologe. "Allerdings gilt es noch herauszufinden, was die Ameisen abhält." Aufmerksam wurde Schlüter auf den Frosch durch den Gesang. "Eines Tages hörte ich ein Pfeifen aus einem Ameisenhügel. Ich war mir sicher, das kann nur ein Frosch sein." Das Tonbandgerät ist bei Schlüter immer im Gepäck. Vor allem nachts, wenn die Paarungszeit beginnt und der Tümpel von Fröschen bevölkert ist. "Dann kann man einem richtigen Froschkonzert lauschen", erinnert sich Schlüter. Eine Tonaufnahme beweist dies. Pfiffe, Geschrei und Geschnatter von einer Bande von Engmaulfröschen, die auf einem schwimmenden Ast nach der besseren Hälfte rufen, sind zu hören.

 

Andreas Schlüter wird bald wieder in den Regenwald zurückkehren. Allerdings mit einer Träne im Auge. "Leider hat die peruanische Regierung den Bau einer Autobahn mitten durch den Hotspot genehmigt", kritisiert er. Dies sei das Todesurteil für viele Amphibien und Reptilien.