Der wahre Notfall

Kornwestheimer Zeitung 20.10.2021

"Nun ist genau das eingetreten, was man hätte voraussehen müssen: hochgiftige Neonikotinoide tauchen trotz Anwendungsbeschränkungen in Blühpflanzen, Böden und Gewässern auf und vergiften Insekten sowie Boden- und Wasserorganismen. Die völlig praxisfernen Anwendungsbeschränkungen unterbinden (wenn sie denn überhaupt eingehalten werden, was niemand kontrolliert) in keiner Weise die Ausbreitung dieser Ackergifte", erklärt Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen und Mitglied im Umweltausschuss des Europäischen Parlaments.

 

Imker und Naturschützer in Bayern haben große Mengen Thiamethoxam und seines Abbauprodukts Clothianidin, beide sind Neonicotinoide, in Wasser- und Schlammproben gefunden, wie die Tageszeitung taz berichtet. EU-weit sind Neonicotinoide im Freiland verboten, aber: Im März 2019 hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) mehrere „Notfallzulassungen“ für das Thiamethoxam-haltige Produkt „Cruiser 600 FS“ von Syngenta erteilt. In sieben Bundesländern durfte laut taz von Januar bis April 2021 auf insgesamt 126.900 ha so gebeiztes Zuckerrübensaatgut aufgrund des hohen Blattlaus- und Virusdrucks ausgebracht werden.

 

"Befall mit Blattläusen gibt es im Rübenanbau jedes Jahr. Wie kann man da von einem Notfall sprechen? Als Grund für eine Notfallzulassung muss vorliegen, dass andere pflanzenbauliche Maßnahmen nicht ausreichen, um Schaden abzuwenden. Laut der Richtlinie 2009/128 zur nachhaltigen Verwendung von Pestiziden, müssen diese Maßnahmen ausgeschöpft worden sein. Dies wird seit Jahren ignoriert. Weder bei der Pflanzenernährung, beim Bodenmanagement oder der Fruchtfolgeplanung werden bekannte Maßnahmen berücksichtigt, die die Anfälligkeit von Pflanzen vermindern und den Schädlingsbefall regulieren können, so wie es beispielsweise der Ökolandbau seit Jahren vormacht", so Martin Häusling.

 

Der wahre Notfall ist das Insektensterben, an dem die Neonicotinoide einen maßgeblichen Anteil haben, und die damit verbundene Zerstörung unseres Ökosystems. Leider gibt es immer noch Interessensvertreter, die diese Gifte verharmlosen. Das Verbot muss eigehalten werden. Ausnahmslos.