Abwägender Naturschutz

Kornwestheimer Zeitung 25.8.2023

 

 

 

Mit der Überschrift werde ich mir nicht nur Freunde machen. Wollen wir Naturschutz betreiben oder nicht? Was gibt es da abzuwägen? Aber nichts ist ohne Zielkonflikte, auch nicht Natur-, Umwelt- oder Klimaschutz.

 

 

 

In der letzten Zeit sind mir zwei Themen untergekommen, die diese Zielkonflikte haben. Wir waren für eine Woche am Bodensee und hatten das Glück, an der einzige Führung des Jahres durch die Staatliche Fischbrutanstalt in Nonnenhorn teilzunemen. Der Bodensee als Trinkwasserreservoir wird ja sehr "sauber" gehalten. Das bringt insofern Probleme für die Fischerei mit sich, als vor allem Phosphate fehlen, die die Fische dringend brauchen. Das nächste Problem ist die große Anzahl von Kormoranen, die deutlich mehr Fische fangen als die verbliebenen Fischer. Der Bestand des bodenseetypischen Felchen - oder auch Kretzer - kann nur gehalten werden, indem die Fischbrutanstalt jährlich Kretzerweibchen in der Laichzeit fängt, die Eier abstreift, die Jungfische aufzieht und aussetzt. So werden die Verluste geringer gehalten.

 

 

 

Und jetzt kommen wir zum abwägenden Naturschutz. Was meinen Sie, wie tief ein Kormoran tauchen kann? Einer hatte sich im Netz verfangen, und zwar in einer Tiefe von 70 Metern. Daran kann man ermessen, dass kein Fisch bis zu dieser Tiefe sicher ist vor den Kormoranen, die in großen Schwärmen auftreten. Sie sind immer noch geschützt, die Fische aber nicht.Was also tun? Das Verbot, die Kormoranbestände zu reduzieren sollte unter Berücksichtigung aller Umstände überpüft werden.

 

 

 

Ähnliches erleben wir landauf, landab mit den Nilgänsen, die sich seit Jahren überproportional verbreiten und die heimischen Wasservögel in Bedrängnis bringen. Ganz abgesehen von den Spuren, die sie rund um die von ihnen als Brutgebiet ausgesuchten Gewässer hinterlassen, sei das ein natürlicher Teich oder ein Freibad. Neozooen müssen wir grundsätzlich akzeptieren, auch der Haussperling wurde einmal zu Kolumbus Zeiten via Portugal eingeführt. Aber wo andere Arten bedroht werden, muss gegebenenfalls eingegriffen werden dürfen.