Mancher mag sich denken: NABU, ja, kenne ich. Dem Namen nach. Das ist doch was mit Naturschutz. Aber wie funktioniert das?
Im Rahmen einer kleinen Serie möchte ich etwas Licht ins Dunkel bringen: Ich beginne mit dem Bundesverband. Ja, der NABU ist ebenso föderal strukturiert wie unser Staat, die Bundesrepublik
Deutschland. Unter dem Bundesverband gibt es die Landesverbände und die Ortsgruppen.
Im Jahr 1899 gründete Lina Hähnle in der Stuttgarter Liederhalle den "Bund für Vogelschutz". Daraus wurde später der "Deutsche Bund für Vogelschutz" DBV und nach der Wiedervereinigung der
Naturschutzbund NABU.
Als Fabrikantengattin mit Beziehung zu Abgeordneten erreichte Lina Hähnle eine Verschärfung des "Reichsvogelschutzgesetzes". Da geht es schon los mit den Aufgaben des NABU: Politische
Einflussnahme zugunsten des Naturschutzes. Nicht umsonst ist die Bundeszentrale in Berlin.
Das erste private Schutzgebiet Deutschlands geht ebenfalls auf Lina Hähnle zurück: der Federsee bei Bad Buchau. Heute ist es der NABU, der schützenswerte Gebiete identifiziert und schützen will.
Wie damals sind das häufig Feuchtgebiete, deren große Artenvielfalt gefährdet ist. Sie werden durch den Ankauf anderen Nutzungen entzogen, die diese Biotope schädigen würden. Dazu braucht es
natürlich Geld. In der Zeitung habe ich immer wieder Anzeigen des NABU gesehen, die um testamentarische Zuwendungen werben. Wer für Naturschutz etwas übrig hat, kann auf diese Weise zielgenau
helfen.
Der NABU-Bundesverband führt auch die Aktionen durch, an denen jeder teilnehmen kann: Die Stunde der Gartenvögel findet 2022 bereits zum 18. Mal statt, der Insektensommer zum fünften Mal. Laien
können hier die Wissenschaft bei der Datensammlung unterstützen, welche Arten noch wie häufig vorkommen. Die Aktionen dienen auch dazu, die Mitmachenden näher an die Natur heran zu führen und ihr
Interesse an Artenkenntnis zu wecken.
Mit 875.000 Mitgliedern und Fördernden ist der NABU der stärkste Umweltverband in Deutschland. Rund 40.000 Aktive leisten jährlich 2,5 Millionen Stunden unentgeltliche Arbeit für den Naturschutz.
Von dieser ehrenamtlichen Arbeit lebt der Verein, sie kommt der Natur zugute. Der haupt- und nebenamtliche Überbau schafft die organisatorischen Bedingungen und setzt die Ziele.
Unser aller Slogan ist "Wir sind was wir tun. Die Naturschutzmacher".
Die Ortsgruppen sind die kleinsten Organisationseinheiten des NABU, sie sind diejenigen, die das Ziel Natur- und Umweltschutz unmittelbar umsetzen, und sie sind ausschließlich ehrenamtlich
unterwegs. Etwa jeder hundertste Kornwestheimer ist NABU-Mitglied.
Wie in jedem Verein organisiert der Vorstand die Aktivitäten. Er besteht aus mindestens drei Mitgliedern, und wir suchen Nachwuchs, da ein Vorstandsmitglied sich zurückziehen will.
Mitgliederversammlungen sind auszurichten, die Kasse ist zu führen, Veranstaltungen wie Exkursionen, Vorträge und Arbeitseinsätze sind zu organisieren. Letztere erfreuen sich großer Beliebtheit,
da kann man mal „anpacken“. Zuletzt war das bei der Markungsputzete der Fall, wo wir die stärkste Gruppe gestellt haben, aber auch an den beiden Termine zum Schnitt der Streuobstbäume beteiligten
sich viele Freiwillige. Zehn bis 20 Prozent der Mitglieder sind aktiv.
Jeden Herbst reinigt der NABU Nistkästen. Das sind allein auf dem Friedhof 60 Stück, die von Schadinsekten befreit und dann wieder aufgehängt werden. Vor ein paar Jahren habe ich diese Aktion der
„Tatortreiniger“ noch ergänzt um die Stunde der „Nistkastendetektive“. Was da in den Nistkästen passiert ist, interessiert doch bestimmt die Kinder, oder? Die können danach erkennen, ob eine Brut
stattgefunden hat, ob es nur ein Schlafnest war, und was für spezielle Vögel da vielleicht genistet haben. Die Indizien müssen nur richtig gedeutet werden.
Und da sind wir schon beim ersten Corona-Opfer: Jugendarbeit ist enorm wichtig, und wir waren drauf und dran, eine Jugendgruppe mit regelmäßigen Treffen zu gründen. Die potenziellen Gruppenleiter
waren zum Jugendleiterkurs angemeldet, das Jahresprogramm geplant, die Einladungen für eine Gründungsfeier gestaltet, und dann kam die Pandemie. Schulung abgesagt, Veranstaltungen nicht möglich.
Also alles auf Null. Hoffentlich haben wir bald wieder Bedingungen, in denen wir das Vorhaben umsetzen können.
Als Gruppensprecher ist man Ansprechpartner für die Ortsgruppe und vertritt sie nach außen. In den nächsten Monaten erwarte ich wieder verstärkt Anrufe "I han da a Vögele gfonda...". Es ist
durchaus natürlich, dass Jungvögel irgendwann ihr Nest verlassen, auch wenn "Ausfliegen" den Vorgang etwas übertrieben beschreibt. Die Kleinen sehen meist noch hilflos aus, was mitleidige
Vogelfreunde dazu bringt, beim NABU anzurufen. Ich versuche dann immer zu beruhigen: Das Piepen dient als Ortungssignal für die Alten, die noch so lange füttern bis die Jungen selbständig Futter
finden. Die einzige Hilfestellung, die man geben sollte ist Katzen fern zu halten und das Vögelchen irgendwo in Deckung bringen, falls es zu sehr auf dem Präsentierteller ist. Denn auch Elstern
füttern gerade ihre Jungen, gerne auch mit jungen Meisen...
Manchmal erreicht mich auch ein Notruf wegen eines verletzten Vogels. Beim REWE auf der Salamanderseite ist eine Kolonie Saatkrähen, von denen eine nur auf dem Boden hüpfte und sich auf keinem
Ast halten konnte. Ich habe mich mit Decke und Kiste bewaffnet, sie eingefangen und nach Ludwigsburg ins Tierheim gebracht. Dort gab es die ernüchternde Auskunft, der Fuß sei so stark
verkrüppelt, das Tier hätte keine Überlebenschance und müsse eingeschläfert werden.
Nördlich unseres gepachteten Gartens befindet sich eine Streuobstwiese, auf der jemand eine Steinkauzröhre an einem Baum angebracht hat. Der Eigentümer hat mich einigermaßen ruppig angesprochen,
warum ich so was mache. Ich habe ihm freundlich erklärt, dass ich dafür nicht verantwortlich bin. Wenn wir als NABU Kornwestheim Kästen aufhängen, machen wir das ausschließlich mit Erlaubnis der
Grundstückseigentümer.
Der nächste Fall ging noch etwas weiter. Telefonisch wurde mir vorgeworfen an einer Scheune Nistkästen aufgehängt zu haben. Das sei Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch. Auch diesem Herrn habe
ich erklärt, dass wir mit den Kästen nichts zu tun haben. Das schien ihn nicht überzeugt zu haben, denn wenig später ging mir ein E-Mail der Kornwestheimer Polizei zu, in dem um Stellungnahme
gebeten wurde zur Anzeige wegen Sachbeschädigung. Warum bei aufgehängten Nistkästen automatisch der NABU in Verdacht genommen wird, ist mir schleierhaft.
Der NABU-Landesverband Baden-Württemberg hat seine Geschäftsstelle in Stuttgart. Rein ehrenamtlich sind 100.000 Mitglieder und ein Budget von einigen Millionen Euro natürlich nicht zu verwalten,
daher gibt es auch hauptamtliche Mitarbeiter. Was der Bundesverband in Berlin macht, macht der Landesverband hier im Ländle, nämlich seine Kompetenz auch in die Landespolitik einbringen.
Wir erinnern uns alle an den Versuch des Volksbegehrens Artenschutz "Rettet die Bienen". Schon länger wusste man vom Insektensterben, und 2019 wurde der Druck auf die Politik so stark erhöht,
dass ein Gesetz beschlossen wurde, das den Pestizideinsatz stark beschränkte, Schutzgebieten wirklichen Schutz gab und eine Erweiterung des Ökolandbaus vorsah. Der NABU war hier maßgeblich
beteiligt.
Blühflächen in Kommunen werden bereits seit sechs Jahren im Projekt "Naturnah dran" vom Land in Zusammenarbeit mit dem NABU BW gefördert. Auch in Kornwestheim kann man die Ergebnisse z.B. vor dem
"K" sehen.
Das Thema "Naturverträgliche Landwirtschaft" steht schon seit Jahren auf der NABU-Agenda und hat schon zu vielen Beratungsaktionen mit Landwirten geführt. Es gibt Chancen, Kiebitz und Rebhuhn,
die früher zahlreich auf unseren landwirtschaftlichen Flächen vorkamen, vor dem Aussterben zu bewahren. Aber es gibt nichts Gutes außer man tut es.
Klimaschutz und Artenschutz: beide Themen sind wichtig, und oft besteht die Gefahr, dass das eine gegen das andere ausgespielt werden soll. Windkraft gegen Rotmilan, so könnte man es auf den
Punkt bringen. In Deutschland haben wir etwa die Hälfte der weltweiten Rotmilanpopulation, und daher eine besondere Verantwortung für diese Art. Wenn bei Genehmigungsverfahren für Windkrafträder
grobe Fehler in Sachen Artenschutz gemacht werden, scheut der NABU auch keine Klagen. Er lässt sich aber auch nicht vor den Karren von Einzelinteressen spannen, etwa durch Anfragen "wie kann man
denn am besten Rotmilane ansiedeln", wenn jemandem nicht passt, dass in seiner Wohnnähe ein Windrad gebaut werden soll. Denn wir wissen sehr wohl, dass so schnell wie möglich auf regenerative
Energien umgestellt werden muss.