Naturschutz am Haus

15.Februar 2013 um 19:30 im Gasthof Hasen

Wärmeschutzvorschriften haben in den letzten Jahrzehnten zu einer immer stärkeren Versiegelung der Fassaden geführt. Was tun, um die dadurch verlorenen Nistplätze anderweitig bereit zu stellen? Wir zeigen, wie man es richtig macht.

Die Kohlmeisens schlafen getrennt

In die Geheimnisse der Vogelwelt führte Ernst Worbs vom Nabu ein. Im Mittelpunkt standen verschiedene Wohnmöglichkeiten für die Tiere. Eva Tilgner

Kornwestheimer Zeitung, 20. Februar 2013

 

Da bietet man eine frei stehende Villa mit Ausblick in bester Sonnenlage, und keiner hält es für nötig, in die Luxussuite einzuziehen. 'Vögel kommen nicht  automatisch', erklärte Dr. Ernst Worbs von der Kornwestheimer Ortsgruppe des Naturschutzbunds (Nabu). 'Sie beobachten ihre Umgebung genau. Dabei achten sie darauf, ob sie leicht an Nahrung herankommen und an welchen Stellen sie sich einniesten können. Man muss ihnen eine Atmosphäre schaffen, in der sie sich wohl fühlen', sagte der Vogelkenner.

 

Dass der gute Wille eines Gartenbesitzers allein nicht ausreicht, um die gefiederten Gäste anzulocken, daran ließ der Referent im Gasthof Hasen keinen Zweifel. "Zunächst einmal sollte man sich überlegen, was für Vogelarten sich in der Nähe aufhalten." Damit sprach Worbs die erste Herausforderung für Neueinsteiger an: "Ich erkenne nur Amseln und Meisen," gab eine Zuhörerin zu und wurde schnell aufgeklärt: In Kornwestheim sorgen vor allem Hausrotschwänze, Sperlinge, Elstern, Rotkehlchen und Meisen für lustiges Gezwitscher.

 

Balzen in der Kälte

Ausgerechnet in die kalte Jahreszeit fällt ihr Balzverhalten, die Suche nach einer Familienunterkunft beginnt. "Wenn die Nisthilfen bereits im Februar befestigt werden, bestehen die besten Chancen, dass das Häuschen auch bezogen wird", verriet Ernst Worbs. Wer dann noch darauf achte, dass es nicht in der prallen Sonne befestigt wird, die Öffnung Richtung Osten zeigt und das ovale Einschlupfloch 32 Millimeter Durchmesser hat, der hat die optimalen Einzugsvoraussetzungen für die anspruchsloseren Vogelfamilien geschaffen. Doch es gibt auch Eigenbrötler unter den gefiederten Freunden. "Das Kohlmeisenpaar schläft nicht zusammen. Ihnen muss man zwei getrennte Nisthöhlen nebeneinander anbieten", erklärte Lothar Friedrich, der seit 30 Jahren Mitglied im Nabu und Vogelexperte ist. "Bestimmt weil das Weibchen so laut schnarcht", ruft ein Zuhörer - und fängt sich einen Seitenhieb von seiner Frau ein. Dagegen ist der Zaunkönig weniger anspruchsvoll. "Sogar in meinem ausrangierten Adventskranz machte er es sich gemütlich", erzählte Friedrich, der zu fast allen Vogelarten eine kleine Geschichte parat hat.

 

Mit einem schönen 'aufgeräumten' Garten, in dem jeder Grashalm auf eine Länge gekämmt und Bäume und Sträucher gegen Ungeziefer gespritzt werden, können die Piepmätze nur wenig anfangen. "Die Kleintiere suchen sich Reste der Natur, in denen sie sich frei entfalten können", beobachtet der Vogelfreund. Doch nicht nur die Suche nach einer Unterkunft gestaltet sich schwierig in einer Stadt wie Kornwestheim, in der hohle, abgestorbene Bäume allein wegen der Verkehrssicherheitspflicht möglichst durch gesunde Pflanzen ersetzt werden. "Hier in der Umgebung gibt es kaum Kleeäcker oder Blumenwiesen. Die vielen Maisfelder bieten den Vögeln erst Nahrung an, wenn sie frisch abgemäht werden. Dann lässt man ihnen nur wenig Zeit zum Aufpicken der Körner. Die Ernte wird möglichst schnell abgetragen." Damit ist der Glaubenskrieg um die Winterfütterung der Vögel für den Nabu Kornwestheim entschieden: "In dieser eng bewohnten Region ist es ökologisch durchaus zu vertreten, bis in das noch nahrungsarme Frühjahr hinein zu füttern", sagte Worbs und führte Futtersilos vor, die man sowohl im Garten als auch mit einer Saugvorrichtung am Fenster befestigen kann. Die weißen Meisenkugeln, die im Supermarkt zur kalten Jahreszeit zum Füttern angeboten werden, seien gut für den Umsatz - doch für die Vögel nicht wirklich lecker. Das in den Kugeln verwendete Palmfett sei viel zu hart für die Meisen. Ein Futtergemisch aus Öl und Fett ist da schon besser geeignet, den Hunger der Vögel in den kalten Monaten zu vertreiben.

 

Vorfreude auf den Mai

Wer die Ratschläge beachtet, kann vielleicht schon bald Beobachtungen wie Lothar Friedrich machen: "Kern für Kern sammelte und versteckte ein Kleiber seinen Vorrat in meinem Garten. Das ging solange gut, bis eine Kohlmeise seinen Schatz fand und ohne Scheu aufpickte. Hat der sich vielleicht geärgert." Schon jetzt freut sich der Vogelliebhaber auf den Mai. Wenn es nach ihm ginge, könnte dieser Monat ewig andauern, denn in dieser Zeit wird vor seiner Haustür gebrütet, geschlüpft und gezwitschert. "Die Aufmerksamkeit für die Natur vor den eigenen vier Wänden zu trainieren lohnt sich in jedem Fall."