„Auch in der Stadt ist Natur erlebbar“

Die Ortsgruppe des Naturschutzbundes Nabu hat einen neues Vorstandsmitglied: Bernd Mathe. Mit ihm sprach Birgit Kiefer.

Kornwestheimer Zeitung, 22.2.2012

 

Herr Mathe, Sie übernehmen die Leitung der Ortsgruppe des Nabu. Ist das der Generationswechsel?
Ich bin um die 20 Jahre jünger als mein Vorgänger Franz Zauner, aber ich bin auch
schon 60. Ich möchte aber natürlich neuen Schwung in dieOrtsgruppe bringen. . .
Zunächst mal halten Sie aber schon allein durch Ihr Engagement die Ortsgruppe am
Leben.
Ja, weil Franz Zauner nicht mehr den Vorstand machen konnte. Er suchte händeringend nach einem Nachfolger. Im vergangenen Jahr hat er mich jedes Mal, wenn wir uns begegnet sind, beim Bäcker oder egal wo, darauf angesprochen. Hätte er niemanden gefunden, der das Amt übernimmt, wäre die Ortsgruppe nämlich abgestorben. Der Nabu hat festgelegt, dass eine Ortsgruppe mindestens drei Leute im Vorstand haben muss. Sonst wird die Gruppe aufgelöst und ihr Vermögen eingefroren.
Da haben Sie sich breitschlagen lassen?
Eigentlich kam es mir ganz zupass. Ich fühle mich noch zu jung, um die Hände in den Schoß zu legen.
Der Nabu in Kornwestheim lebt also erst einmal weiter, aber Sie sehen nicht so aus, als würde Ihnen das allein schon reichen. Haben Sie schon konkrete Pläne, wie der Ortsgruppe zu neuem Schwung zu verhelfen ist?
Zuerst haben wir uns eine neue Satzung gegeben. Die bisherige war aus dem Jahr
1992. Damals hat zum Beispiel noch niemand von nachhaltigem Wirtschaften gesprochen. Jetzt haben wir das aufgenommen. Eine meiner ersten Aktionen überhaupt war auch, dass ich uns eine Homepage eingerichtet habe. Ohne Internet-Auftritt geht heute nichts mehr. Insbesondere wenn ich an die Jüngeren ran will.
Und das ist der nächste Punkt: Wir müssen uns um den Nachwuchs bemühen. Unsere Altersstruktur zeigt einen linearen Anstieg von 40 bis 100 Jahren. Aber die unter 40-Jährigen sind stark unterrepräsentiert. Die sind schulisch oder beruflich ziemlich eingebunden, da bleibt wenig Zeit.
Wie wollen Sie sie erreichen, außer über das Internet?
Das Internet ist schon sehr wichtig. Der Vereinsanzeiger in allen Ehren, aber die
jungen Menschen heute schauen eher schnell im Netz nach, was so läuft. Der Nabu
ist auch nicht so antiquiert wie Sie vielleicht denken. Auf seiner Internetseite bietet
der Hauptverein einiges: Es gibt zum Beispiel ein Vogelstimmen-Quiz. . .
Aber macht es Spaß, das Zwitschern einem Vogel zuzuordnen, wenn ich gar keinen Bezug zu den Tieren habe? Wenn ich sie noch nie live erlebt oder gehört haben?
Das ist ein Problem. Darum wollen wir Kindern wieder diese Begegnung ermöglichen. Der Nabu wird jetzt im März drei Tage lang während der Abiturprüfungen die Fünferklassen des Ernst-Sigle-Gymnasiums betreuen. Ich werde mit den Kindern das Thema Vögel angehen. Wir werden rausgehen, die Tiere mal mit dem Fernglas beobachten. Ich werde Nester und Federn mitbringen. Auf der Jugendfarm können wir auch mal Nistkästen bauen.
Sie sind erst im vergangenen Jahr im April zum Nabu gestoßen. Ihre Verbundenheit mit der Natur reicht aber länger in die Vergangenheit, oder?
Ich habe das Glück gehabt, dass ich immer irgendwo am Ortsrand aufgewachsen bin. Noch in Ludwigsburg sind wir auf den Feldern rumgerannt, auf dieBäume geklettert. Wo jetzt die Berufsschule ist, haben wir damals bei der Rübenernte geholfen. Das sind schöne Kindheitserinnerungen. Ab 1962 lebten wir in Kornwestheim in der Hornbergstraße. Ich würde mir gerne mal den Bebauungsplan von damals anschauen. Hinter der Hornbergstraße fingen die Felder an. Im Ostgebiet war nichts, nur Äcker. Im Winter sind die Rebhühner bei uns in die Straße gelaufen.
Kindheit sieht heute aber eben oft so aus, dass es von der Schule direkt ins Kinderzimmer vor den Computer geht.
Aber es gibt auch in der Stadt genug Natur zu erleben. Direkt vor der Haustür liegt die
Vördere, es gibt die Steingrube, auf dem Friedhof sind auch viele Vögel. Da können
ihre Verhaltensweisen erlebt werden. Wir haben auf unserer Terrasse im zweiten
Stock einen Meisenkasten. Da bekommen wir alles live mit, vom Nestbau über die
Fütterung den ganzen Tag alle 20 Sekunden bis hin zum Meisenflugtag, wenn die
Jungen ausfliegen müssen. Wenn man sich mal ausreichend gewundert hat und Interesse gefunden hat, dann ist das nicht mehr rückgängig zumachen.
In Ihrem Schreiben an die Eltern der Fünftklässler, mit denen Sie die Vogelwelt erkunden wollen, bitten Sie die Eltern, den Kindern Handys mitzugeben. Warum? Um die Vögel zu filmen?
Ich kann den Kindern Vogelstimmen als Klingelton aufspielen. Eine Nachtigall, die
30 Sekunden lang erschallt, das ist einfach toll. Ich freue mich, wenn das Telefon losgeht, und die Reaktionen der Menschen in der Nähe sind interessant: Das geht vom Schmunzeln bis zum brüllenden Lachen. Ich finde übrigens auch dieses Geo-Caching wunderbar. Da werde ich mir mal etwas einfallen lassen, jetzt weniger als Schatzsuche, sondern so, dass die interessanten Ecken hier in Kornwestheim – und die gibt es durchaus – entdeckt werden.
Aber es wird schon noch weiter naturkundliche Führungen und Vorträge geben?
Klar. Ich möchte den Laden aber auch ein bisschen demokratisieren was das Programm angeht. Mir haben schon einige Mitglieder gesagt, sie wollen mehr raus gehen, mehr in der Natur unternehmen. Wenn da Interesse besteht, können wir das
gerne einbauen. Wir sind auch offen für neue Vortragende.Wenn jemand berichten
möchte, wo er war und was er erlebt hat, nehmen wir das gerne ins Programm. Als
nächstes steht morgen, 19.30 Uhr, in der Galerie der Vortrag des Ornithologen Dr.
Rainer Ertel über Vögel inRemseck an.

Wird der Nabu auch lokalpolitisch aktiver unter Ihrer Ägide?
Der Dachverband ist hier politisch die Speerspitze. Der Nabu ist auf diesem Weg
beteiligt und ich finde auch, solche Aktivitäten sollten da gebündelt werden.Wir geben
aber schon unseren Senf dazu, wenn da etwas schief läuft.



Zur Person
Bernd Mathe ist ein Neueinsteiger beim Nabu. Der Organisator der Kornwestheimer Jazzaktion stieß im April 2011 zu der Ortsgruppe. Der 60-jährige hat Mathematik studiert und über 30 Jahre in der EDV gearbeitet.