Alles andere als ein Ort der Stille

Nabu-Vogelkundler Lothar Friedrich ist mit einer Schar Frühaufsteher über den Friedhof spaziert – die heimische Vogelwelt immer im Blick. Von Julia Schweizer

Kornwestheimer Zeitung, 16.4.2012

Er ist eigentlich ein Ort der Stille und der Trauer – doch schon am Eingang
zum Friedhof durchbricht ein lautes Lachen die morgendliche Ruhe. Aus
Menschenkehle kommt das allerdings nicht. „Das ist ein Grünspecht, der uns hier
begrüßt“, klärt Lothar Friedrich auf. Und der Specht ist nicht allein an dieser Stelle
des großen Geländes, weiß der Vogelkenner des Naturschutzbundes (Nabu). „Am Rand ist manchmal mehr los als innen. Hier können wir noch mehr Vögel sehen“, sagt er mit Blick auf die schon an vielen Bäumen kräftig sprießenden Blätter.


Und zu sehen bekommen die knapp 30 Vogel-Interessierten schon vor dem
Start des Spaziergangs einiges. Friedrich hat Nistkästen für verschiedene Vogelarten mitgebracht: mal mit einem Vorbau, wodurch Eichhörnchen nicht ins Innere greifen können, mal mit flachem und mal mit spitzem Dach, das laut Friedrich nicht von Mardern bestiegen werden kann.

 

Im Innengelände des Friedhofs ist inzwischen die Fröhlichkeit gewichen. „Hören
Sie das, da schimpft eine Kohlmeise“, sagt Friedrich. Und ein paar Meter weiter
warne eine Amsel, filtert er aus dem permanenten Klangteppich der auf der Bundesstraße vorbeirauschenden Autos heraus. Doch nicht etwa vor den großen Ringeltauben, die sich in den vergangenen Jahren stark vermehrt haben und auch auf den Wegen recht unbekümmert umherspazieren. Die Amsel warne vor einem Sperber, sagt Friedrich und leitet dann die Gruppe vorbei an Elstern, einem Eichelhäher, Spechten, Rotkehlchen, Mönchsgrasmücken und Zaunkönigen durch den Friedhof – viele dieser Vögel hat er in diesem Jahr so früh gehört wie noch nie, informiert er.

 

Die weitaus größere Gefahr, erfahren die Spaziergänger, drohe den Vögeln aber
durch den Menschen – wenn auch eher unbeabsichtigt. „Bei der Stadt muss es an erster Stelle sauber und sicher sein“, sagt er. Deshalb werde gerade in den Gebüschen viel Gras, Laub und andere beliebte Futterquellen entfernt, auch bei dem kleinen See innerhalb des Friedhofs sei viel ausgemäht worden. Der Zilpzalp zum Beispiel brauche aber Grasbüschel, um dahinter brüten zu können.


Gefährlich gerade für Greifvögel ist auch die nahe gelegene Bundesstraße, wenn die Fahrzeuge der Straßenmeisterei im Winter zu weit streuen, dabei auch die Böschungen und Ränder vom Schnee befreien und diese dann als Futterstelle locken. Und fast wie bestellt, entdeckt die Gruppe einen Bussard, der trotz widriger Witterung versucht, in luftiger Höhe zu kreisen.

 

Kurz darauf sichten einige der Spaziergänger auch einen Milan. Und noch eine weitere Art ist in Kornwestheim zu sehen, berichtet Friedrich von dem seit kurzem beim Rathaus brütenden Wanderfalken: „Eine kleine Sensation!“


Auf eine weitere Sensation hofft der Nabu, wie der Nistkastenbeauftragte Walter
Riebe erklärt. An einem Baum in der Nähe des Sees hat er ein Häuschen aufgehängt, dessen Loch anders als sonst üblich an der Seite ist. „Wir hoffen, dass der Baumläufer dann hierher kommt“, sagen Riebe und Friedrich. Dann würde sich in die Friedhofsstille ein weiterer willkommener Ton mischen.